Anleihen (Bonds)

Was sind Anleihen oder Bonds?

1. Gegenstand und Parteien von Anleihen
Gegenstand von Anleihen ist ein zeitlich begrenztes Darlehen des Anlegers (Anleihegläubiger) an das die Anleihe übertragende Unternehmen (Anleiheschuldner/ Emittent). Das Darlehen wird als Schuldverschreibung verbrieft. Anders als ein Aktionär oder Gesellschafter überlässt der Anleihegläubiger sein Kapital nur für eine bestimmte Zeit, weshalb es bilanziell als Fremdkapital verbucht wird.

2. Anleihebedingungen und Vertragliche Regelungen der Anleihen
Um ein Darlehen zu gewähren, werden vertragliche Regelungen zwischen den Parteien aufgestellt, die Anleihebedingungen. Der Anleihegläubiger hat die vertragliche Pflicht, das Darlehen zur Verfügung zu stellen. Der Anleiheschuldner hat die Pflicht, den Darlehensbetrag zu einem vereinbarten Termin zurückzuzahlen. In der Regel wird immer eine Verzinsung der Darlehenssumme durch den Anleiheschuldner vereinbart. Anleihebedingungen können nur durch eine Vertragsänderung abgeändert werden. Eine Zustimmung beider Parteien, das heißt aller Gläubiger derselben Schuldverschreibung und des Schuldners, ist dazu nötig.

Anwendbares Recht für Anleihen – das Schuldverschreibungsgesetz.
Die wesentlichen Rechtsgrundlagen für Anleihen finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und im Schuldverschreibungsgesetz von 2009, das das seit 1899 geltende alte Schuldverschreibungsgesetz abgelöst hat. Ziel war die Anpassung an internationale Märkte und Standards von Anleihen. Hierdurch wurde ein erweiterter Handlungsrahmen der Gläubiger geschaffen. Die Gläubigerrechte wurden gestärkt, aber auch dem Schuldner(unternehmen) wurden Erleichterungen im Sinne der Vereinbarung von Sanierungsbeiträgen zugesprochen.

Welche Rechte hat der Anleihegläubiger?

1. Individuelle Rechte des Anleihegläubigers
Endet die Laufzeit der Anleihe, so, hat der Gläubiger einen Anspruch auf Rückzahlung seines Darlehens. Weiter hat der Gläubiger das Recht auf Zahlung der vertraglich vereinbarten Zinsen. Kommt der Schuldner dieser Zahlung nicht nach, muss der Gläubiger dies zunächst aufgrund des vom Gläubiger getragenen Bonitätsrisikos hinnehmen. Dem Gläubiger stehen beim Ausbleiben von Zinszahlungen das Recht zur Kündigung und damit einer Fälligstellung seiner Darlehensforderung zu. Sofern die Anleihebedingungen nicht die Möglichkeit von Änderungen der Anleihebedingungen vorsehen, so ist eine Änderung gemäß § 4 Abs. 1 SchVG nur durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern möglich. Anders als bei Privatplatzierungen, bei denen eine Einigung mit wenigen bekannten Gläubigern durchaus möglich ist, so ist dies bei einer öffentlich vertriebenen Anleihe während der Laufzeit kaum möglich. Nach Laufzeitende oder Kündigung ist eine Änderung durch Individualvereinbarung aber möglich.

2. Geltendmachung der Rechte im Kollektiv – die Gläubigerversammlung
Gläubiger können ihre Rechte auch gemeinsam, innerhalb der Gläubigerversammlung geltend machen. Diese Versammlung kann von dem Emittenten, aber auch von Gläubigern, deren Schuldverschreibung zusammen 5% der ausstehenden Schuldverschreibungen erreichen und die ein besonderes Interesse an der Versammlung vorweisen, einberufen werden. Gläubigerversammlungen sollen dabei helfen, dass Entscheidungen als Gesamtheit getroffen werden. Dafür steht den Anleihegläubigern innerhalb der Versammlung ein Auskunftsrecht zu, soweit die Auskunft zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstandes der Tagesordnung oder eines Vorschlags zur Beschlussfassung erforderlich ist. Die gefassten Beschlüsse werden für alle Anleihegläubiger der gleichen Anleihe wirksam. Die wichtigsten Beschlüsse sind – sofern nicht bereits in den Anleihebedingungen geregelt – die Wahl eines Gemeinsamen Vertreters und die Möglichkeit der Änderung der Anleihebedingungen. Allerdings werden diese Beschlüsse der Gläubigerversammlung nur dann wirksam, wenn die Anwesenden wertmäßig mindestens die Hälfte des ausstehenden Anleihekapitals vertreten. Kommt kein Beschluss zustande, kann eine zweite Versammlung einberufen werden, die sodann ohne Rücksicht auf die Anzahl des erschienenen Anleihekapitals beschlussfähig ist. Benötigen Beschlüsse eine qualifizierte Mehrheit, müssen die anwesenden Gläubiger mindestens 75% des ausstehenden Anleihekapitals vertreten.

Der gemeinsame Vertreter der Gläubiger
Meist steht dem Anleiheschuldner eine Vielzahl von Gläubigern gegenüber. Damit die Gläubigerrechte und -informationen gebündelt, sachrichtig und angemessen wahrge-nommen werden können, wurde durch das Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) der gemeinsame Vertreter der Anleihegläubiger geschaffen. Dieser hat eine wichtige Funktion bei der Interessenvertretung der Anleihegläubiger und bei einer vereinfachten Kommunikation zwischen den Gläubigern und dem Emittenten.
Gemeinsamer Vertreter kann jede geschäftsfähige natürliche Person werden, die sach-kundig ist. Die Aufgaben und Befugnisse des gemeinsamen Vertreters ergeben sich aus § 7 SchVG und richten sich nach den Weisungen der Gläubiger.

1. Welche Aufgaben hat der gemeinsame Vertreter?
Zu den Aufgaben gehören die Einberufung der Gläubigerversammlung und die Berichterstattungspflicht gegenüber der Gesamtheit der Anleihegläubiger. Wird die Gläubigerversammlung durch den gemeinsamen Vertreter einberufen, kann er sodann als Versammlungsleiter auftreten.

Er darf gegenüber dem Anleiheschuldner alle Auskünfte verlangen, die er zur Er-füllung der ihm übertragenen Aufgaben benötigt. Diese Auskünfte implizieren alle Informationen, die von den Gläubigern benötigt werden, um richtige Entschei-dungen treffen zu können.

Im Insolvenzfall des Emittenten nimmt der Gemeinsame Vertreter die Rechte aller Gläubiger einheitlich wahr, insbesondere bei der Abstimmung in der Insolvenz-gläubigerversammlung. Der gemeinsame Vertreter ist somit gegenüber dem Emit-tenten berechtigt und verpflichtet, die Rechte der Gläubiger geltend zu machen. Sein Stimmrecht bemisst sich nach dem Gesamtbetrag der Anleiheforderungen. Diese einheitliche Rechtswahrnehmung stellt eine Erleichterung für die Anleihe-gläubiger dar. Die Gläubiger haben dennoch weiterhin Kontrolle über ihre Rechte, da der gemeinsame Vertreter ihren Weisungen unterliegt, die nur durch Mehr-heitsbeschluss erteilt werden können.

2. Welche Befugnisse hat der gemeinsame Vertreter?
Die Befugnisse des gemeinsamen Vertreters werden durch die Anleihegläubiger mittels Mehrheitsbeschluss spezifisch aufgestellt. Durch den Emittenten sollen dem gemeinsamen Vertreter auch Befugnisse eingeräumt werden. Es muss ihm gestattet werden, an allen Kapitalmarktgesprächen und Unternehmensveranstal-tungen des Emittenten beizuwohnen. Weiter hat er ein Recht auf den Erhalt aller in den Standards für Bondkommunikation aufgeführten bondspezifischen Kenn-zahlen des Emittenten. Erachtet es der gemeinsame Vertreter im Hinblick auf sei-ne ihm übertragenen Pflichten als notwendig, Einzelgespräche mit Mitgliedern der Geschäftsführung des Emittenten zu führen, muss ihm dies gestattet werden.

Gegenüber den Gläubigern tritt der gemeinsame Vertreter sodann mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters auf. Seine Haftung kann, muss aber nicht, dabei durch Gläubigerbeschluss beschränkt werden.

Anleihebedingungen, die Gläubigerrechte erschweren

1. Collective Action Clauses
Collective Action Clauses beschreiben die kollektive Bindung der Anleihegläubiger im Falle einer Krise des Emittenten. Durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger können somit Änderungen der Anleihebedingung geschaffen werden. Die Gläubiger beteiligen sich dabei durch teilweisen Verzicht auf ihre Gläubigerrechte an der Sanierung des Emittenten außerhalb des Insolvenzverfahrens, § 5 Abs. 3 Nr. 1 ⤓ 10 SchVG. Ist das Insolvenzverfahren eröffnet, kommen die Regelungen der InsO zur Anwendung.

2. Kollektive Bindung in Bezug auf Kündigungsrechte
Anleihebedingungen können bestimmen, dass eine Kündigung einer einheitlichen Erklärung mehrerer Gläubiger bedarf (sog. Kollektivkündigung). Eine Kündigung eines einzelnen Anleihegläubigers ist dann nur wirksam, wenn ein bestimmter Prozentsatz der zum Zeitpunkt der Kündigung ausstehenden Schuldverschreibungen ebenfalls gekündigt wurde, wobei dieser Prozentsatz durch das Gesetz auf maximal 25 % festgelegt wird.

Die Ausübung dieses kollektiven Kündigungsrechts ist zu unterscheiden von der Kündigung aufgrund eines Kündigungsgrundes. Eine Kündigung aus wichtigem Grund ist immer möglich und kann auch nicht durch Anleihebedingungen abbedungen werden.

3. Verdrängende Vollmacht
Die Ausübung von Gläubigerrechten kann gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 SchVG auf den gemeinsamen Vertreter übertragen werden. Dies kann sich auch auf die Ausübung von Gläubigerrechten erstrecken. Folglich kann auch die Ausübung des in den Anleihebedingungen vorgesehenen Kündigungsrechts auf den gemeinsamen Vertreter übertragen werden.

Wie können Anleihegläubiger Änderungen der Anleihebedingungen bewirken?
Die Anleihebedingungen können durch eine qualifizierte Mehrheit der Anleihegläubiger geändert werden, wenn und soweit die Anleihebedingungen dies so vorsehen. Die beschlussfähigen Änderungen werden im Schuldverschreibungsgesetz in einem nicht abschließenden Katalog aufgelistet (§ 5 Abs. 3 SchVG). Dabei gibt es auch Möglichkeiten zur Änderung von Restrukturierungsmaßnahmen, etwa ein Umtausch in andere Vermögensgegenstände oder ein Debt-Equity-Swap (Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital). Werden wesentliche Inhalte der Anleihebindung durch Beschlüsse geändert, bedarf es einer qualifizierte Mehrheit, demnach 75% der teilnehmenden Stimmen.

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