Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89 b Handelsgesetzbuch (HGB)

Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89 b Handelsgesetzbuch (HGB)

Nach § 89 b HGB kann einem Handelsvertreter nach Beendigung seines Vertragsverhältnisses ein Ausgleichsanspruch gegen den vertretenen Unternehmer bis zur Höhe einer Jahresprovision zustehen.

1. Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs

Nach § 89 b Abs. 1 HGB bestehen die folgenden vier Voraussetzungen für das Entstehen eines Ausgleichsanspruchs:

a. Das Handelsvertreterverhältnis muss beendet sein;
b. dem Unternehmer müssen auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile zufließen,
c. der Handelsvertreter muss Ansprüche auf Provisionen verlieren und
d. die Zahlung des Ausgleichs muss der Billigkeit entsprechen.

a. Beendigung des Vertragsverhältnisses

Das Handelsvertreterverhältnis muss beendet sein. Dies kann geschehen, indem das Vertragsverhältnis vom vertretenen Unternehmer gekündigt wird, ein befristeter Handelsvertretervertrag ausläuft oder ein Vertrag einvernehmlich von den Parteien aufgelöst wird.

Der Ausgleichsanspruch ist dagegen ausgeschlossen, wenn der Handelsvertreter den Handelsvertretervertrag selbst kündigt. Allerdings gibt es hiervon zwei Ausnahmen: Der Ausgleichsanspruch bleibt dem Handelsvertreter trotz Eigenkündigung erhalten, wenn er entweder einen begründeten Anlass zur Kündigung hatte, oder er das Vertragsverhältnis aus Gesundheits- oder Krankheitsgründen beenden musste. Ein begründeter Anlass ist anzunehmen, wenn der Handelsvertreter durch ein Verhalten des Unternehmers in eine für ihn unhaltbare Lage gekommen ist. Als begründete Anlässe kommen beispielsweise wiederholte unberechtigte Provisionseinbehalte oder laufende verspätete Provisionszahlungen in Betracht, wie auch das häufige schlechte Ausführen von Geschäften.

b. Erhebliche Vorteile des Unternehmers

Für die Entstehung des handelsvertreterrechtlichen Ausgleichsanspruchs muss des Weiteren der Unternehmer aus den Geschäftsverbindungen mit Kunden, die der Handelsvertreter neu geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses noch erhebliche Vorteile ziehen. Der Handelsvertreter muss also

– neue Kunden geworben haben,
– die Geschäftsverbindungen zum Unternehmer aufgebaut haben und
– die voraussichtlich auch nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses weiterhin mit dem Unternehmer Geschäfte abschließen werden.

Ein Kunde wird dem Handelsvertreter dabei als neu geworben zuerkannt, wenn er bei Beginn des Handelsvertreterverhältnisses mit dem Unternehmer noch keine Geschäfte getätigt hatte und der Abschluss des ersten Geschäftes mit dem Kunden von dem Handelsvertreter zumindest mitursächlich herbeigeführt worden ist. Als Neukunden behandelt das Gesetz aber auch solche, die zwar vor der Tätigkeit des Handelsvertreters mit dem Unternehmer bereits Geschäfte abgeschlossen haben, deren preisbereinigter Umsatz aber durch die Tätigkeit des Handelsvertreters verdoppelt worden ist. Eine Geschäftsverbindung ist erst dann entstanden, wenn der Kunde wiederholt Geschäfte mit dem Unternehmer abgeschlossen hat (so genannte Mehrfachkunden). Kunden, die nur einmal bestellt haben, werden mithin nicht in die Ausgleichsberechnung einbezogen, selbst wenn sie vom Handelsvertreter neu geworben worden sind.

Um zu beurteilen, ob die Kunden auch nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses mit dem Unternehmer Geschäfte abschließen werden, ist im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung eine Prognose anzustellen.

c. Provisionsverluste des Handelsvertreters

Weiterhin setzt der Ausgleichsanspruch voraus, dass der Handelsvertreter durch die Vertragsbeendigung Ansprüche auf Provisionen aus den von ihm neu geworbenen Mehrfachkunden verliert. Unter Provisionsverlusten versteht man dabei die Provisionen, die der Handelsvertreter noch hätte verdienen können, wenn das Vertragsverhältnis nicht beendet worden wäre. Es wird mithin eine weitere Tätigkeit des Handelsvertreters unterstellt.

Dem Handelsvertreter soll aber nur sein Provisionsverlust ausgeglichen werden, den er mit von ihm neugeworbenen Kunden noch hätte verdienen können. Während des Vertragsverhältnisses hätte der Handelsvertreter mit diesen entweder Vermittlungsprovisionen oder, wenn er am Zustandekommen des Geschäftes nicht beteiligt gewesen wäre, so genannte Folgeprovisionen verdienen können.

Folgeprovisionen stehen dem Handelsvertreter zu, wenn der Unternehmer ohne Einschaltung des Handelsvertreters mit einem von diesem neu geworbenen Kunden ein Folgegeschäft abschließt. In die Ausgleichsberechnung fließen daher lediglich Vermittlungs- und Folgeprovisionen ein. Bezirksprovisionen und so genannte Verwaltungsprovisionen sind hingegen nicht ausgleichspflichtig. Unter Verwaltungsprovisionen fasst man sämtliche Provisionen zusammen, die der Handelsvertreter für Tätigkeiten erhält, die nicht unmittelbar auf das Zustandekommen eines Geschäftes gerichtet sind. Zu nennen ist zum Beispiel die Inkasso-, Lagerhaltungs-, Kundendienst- oder Regalserviceprovision. Ausgeglichen werden dem Handelsvertreter zudem nur Provisionen, die ihm in einem überschaubaren Zeitraum nach Vertragsbeendigung noch zugeflossen wären. Die Rechtsprechung setzt in der Regel einen Zeitraum zwischen zwei und fünf Jahren an. Dabei orientiert sie sich an der Beständigkeit der vom Handelsvertreter geschaffenen Geschäftsbeziehungen. Bei festen Geschäftsbeziehungen ist eher von einem vier bis fünf jährigen Zeitraum auszugehen, während bei einer hohen Kundenfluktuation auch ein nur zweijähriger Zeitraum anzunehmen sein kann. Für diese Beurteilung wird regelmäßig die Entwicklung der Geschäftsbeziehungen in den letzten Jahren des Handelsvertreterverhältnisses herangezogen.

d. Billigkeit

Schließlich muss der Ausgleich der Billigkeit entsprechen. Bei der Billigkeitsprüfung ist das gesamte Handelsvertreterverhältnis einschließlich der Gründe für seine Beendigung zu beurteilen und zu entscheiden, ob unter Wertung aller Umstände die Zahlung eines Ausgleichs der Billigkeit entspricht. Ausgleichsmindernd wirkt sich beispielsweise aus, wenn der Handelsvertreter eine Versorgungszusage erhalten hat. Diese ist mit ihrem Barwert im Rahmen der Billigkeit zu berücksichtigen. Bei einer bekannten und gut eingeführten Marke geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Neukundenwerbung dem Handelsvertreter erleichtert war. Aus dem so genannten Gesichtspunkt der Sogwirkung der Marke können deshalb Billigkeitsabzüge von rund 15 bis 30 Prozent gerechtfertigt sein. Erspart der Handelsvertreter nach der Beendigung seines Vertrages hohe Kosten oder hat er Vertragsverletzungen begangen, können sich diese Gründe ebenfalls ausgleichsmindernd auswirken.

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