Joint Venture versus Alleingang

Bei Betrachtung der nackten Zahlen ist die Lage eindeutig. 1998 übertraf die Zahl der Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen erstmals die Zahl der Joint Ventures. 2003 betrug der Anteil der alleinigen Tochtergesellschaften bereits 65,59 % an den gesamten ausländischen Investitionen. Daten und Statistiken können jedoch in die Irre führen. In der Praxis haben ausländische Investoren sehr unterschiedliche Erfahrungen mit chinesischen Partnern gemacht. Ob eine „Joint Venture Ehe“ letztendlich gut läuft, ist insbesondere von den Partnern selbst abhängig. Ob man auf einen chinesischen Partner verzichten sollte und besser einen Alleingang über eine eigene Tochtergesellschaft vornimmt, ist stets im Einzelfall zu beurteilen.

Alleingang nicht immer möglich

In China besteht zumindest teilweise noch der Zwang, in bestimmten Wirtschaftsbereichen Joint Ventures zu gründen, wenn man als Ausländer in solchen Bereichen investieren will. Stichwort hierfür ist der von der chinesischen Regierung verfasste Auslandsinvestitionskatalog. In diesem Katalog wird detailliert vorgeschrieben, in welchen Bereichen und Branchen keine ausländischen Investitionen – bzw. nur in Kooperation mit chinesischen Firmen zulässig sind. Im Zuge des WTO Beitritts wurden einige Beschränkungen dieses Katalogs aufgehoben. Nunmehr gilt seit Ende 2004 der neu überarbeitete Investitionskatalog. Soweit der Auslandsinvestitionskatalog Investitionsverbote vor- sieht oder aber Auslandsinvestitionen nur in Form eines Joint Ventures zulässt, stellt sich die Frage „Joint Venture oder Alleingang?“ somit gar nicht erst.

Trotz des Rückgangs der Beliebtheit des Joint Ventures bestehen durchaus einige Vorteile dieser Art des Investments. Ein Joint Venture ist insbesondere für mittelständische Unternehmen eine attraktive Handlungsform, die nicht über die Größe, Erfahrung, die finanziellen Mittel und die Kontakte vor Ort verfügen, um eine eigene Produktion oder eigene Vertriebswege in China aufzubauen. Des Weiteren ist ein ausländischer Investor auf einen chinesischen Partner angewiesen, wenn der Markt für bestimmte Produkte reif genug und bereits aufgeteilt ist. Ohne die Hilfe eines am Markt beteiligten Partners ist ein Markteintritt in solchen Fällen sehr schwierig. Auch in Fällen, in denen ein Joint Venture weder rechtlich noch aus wirtschaftlichen Notwendigkeiten sein muss, kann sich ein Gemeinschaftsunternehmen als vorteil- haft erweisen: Andere Länder, andere Sitten – ein chinesischer Partner hat als Ansässiger vor Ort in der Regel gute Beziehungsnetzwerke zu den relevanten Regierungsstellen und kennt die Geschäftspraxis besser. Auch werden die unternehmerischen Risiken bei einem Joint Venture auf beide Partner aufgeteilt.

Ringen nach Einstimmigkeit

Den Vorteilen eines Joint Ventures stehen allerdings erhebliche Nachteile gegenüber: Sowohl die Gründung als auch die Beendigung eines Joint Ventures verursacht im Vergleich zur alleinigen Tochtergesellschaft einen größeren Zeitaufwand und höhere Kosten. Auch soweit es um die Kommunikation zwischen den Partnern geht, muss mit Kosten und Schwierigkeiten gerechnet werden. Bei Entscheidungen insbesondere im Bereich des Managements ist häufig Einstimmigkeit erforderlich, die nicht immer ganz leicht erreichbar

ist. Manche chinesischen Partner haben noch „Altlasten“ wie veraltete Anlagen oder hohen Personalaufwand, welche sie in das Joint Venture mit einbringen wollen. Die Prüfung der Angaben eines potentiellen chinesischen Joint Venture Partners gestaltet sich in der Praxis schwierig, da häufig keine aussagekräftige Buchhaltung vorliegt und vorgelegte Dokumente und Urkunden – bspw. über Landnutzungsrechte, gewerbliche Schutzrechte oder Vertriebsrechte – nicht immer echt oder zu verifizieren sind.

WTO-Beitritt erleichtert den Alleingang

Da sich die Zielsetzungen sowie das strategische Denken und Handeln zwischen den Parteien unterscheiden, sind Konflikte bei einem Joint Venture meistens vorhersehbar. Während es den ausländischen Partnern um Gewinnmaximierung geht, legen chinesische Partner teilweise noch Wert auf Sicherung der Arbeitsplätze und Erfüllung von der Zentralregierung zugewiesener Aufgabenquoten.

Auch besteht die Gefahr, dass die Partner sich jeweils die Vorteile des Anderen zu Eigen und zu Nutze machen. So können die ausländischen Partner die Vertriebsnetze der Chinesen adaptieren und darauf aufbauend später ein eigenes Netz aufbauen; dagegen können die Chinesen das Know How und die Techniken von dem Partner lernen und dieses Wissen später legal oder illegal ausnutzen. Die Angst vor dem Knowhow-Transfer ist ein wichtiger Grund, warum viele ausländische Investoren ein Joint Venture meiden.

Wenn die „Joint Venture Ehe“ eines Tages geschieden wird, wird in der Regel eine Seite in irgendeiner Form verlieren und mit einem potentiellen Wettbewerber in derselben Branche rechnen.

Bei einer alleinigen Tochtergesellschaft tauchen die zuvor genannten Probleme nicht auf. Seit dem WTO-Beitritt Chinas wurden viele Beschränkungen für ausländische Investitionen aufgehoben. Die alte Regel, wonach 85% der von einer alleinigen Tochtergesellschaft hergestellten Produkte außerhalb Chinas verkauft werden müssen, gilt nicht mehr. Auch die Marktsituation in China ist in den letzten Jahren transparenter geworden. Ausländische Investoren können sich auch ohne Hilfe eines chinesischen Partners am Markt durchsetzen. Insbesondere inter- national tätige und größere Unternehmen können über alleinige Tochtergesellschaften ihre Standorte in China besser gestalten und ihre Ressourcen rational verteilen.

In China läuft momentan ein Prozess der Umwandlung von Unternehmen. Die Beratungspraxis ist derzeit häufig mit Fragen befasst, wie ein Joint Venture beendet werden kann als Fragen der Neugründung zu klären. Der Trend geht momentan ganz eindeutig zur alleinigen Tochtergesellschaft. Viele ausländische Partner von früher gegründeten Joint Ventures wollen nunmehr die Anteile von ihren chinesischen Partnern übernehmen und das Unternehmen in eine Tochtergesellschaft umwandeln.

 

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